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Gisela Salverius
1957 in Braunschweig geboren
1980 - 1985 HBK Braunschweig, Fachbereich Freie Kunst bei den Professoren
Peter Voigt, Klaus Stümpel und Hans-Peter Zimmer
1982 Studienaufenthalt im Iran
1993 Mitglied im Bund Bildender Künstler (BBK), Braunschweig
1997 Gründungsmitglied der Künstlergemeinschaft Permanent 11+
2007
Gisela Salverius lebt und arbeitet
zusammen mit ihrem Ehemann, dem Künstler Bernward Orlob in Vechelde in der Nähe von Braunschweig.
Tanzende Stadtlandschaften
"Märchenland" betitelt die
Künstlerin eins ihrer Bilder, – und märchenhaft ist der erste
Eindruck, anschaulich gewordene Bausubstanz aus 1001 Nacht. Denn diese
Häuser und Kirchen stehen nicht kalt und starr, sondern tänzeln
mutwillig und eigensinnig aus der Reihe, der Statik, der Perspektive und
der Architektur zum Trotz. Sie lehnen sich auf, scheinen in einem
quicklebendigen, äußerst vergnügten Eigenleben zu schunkeln,
aneinandergelehnt, einander zugewandt, miteinander korrespondierend, aber
sich auch eitel spiegelnd in einer "Unterwasserwelt".
Ein wunderschönes Traumland, eine Märchen-Vision, in die sich Gisela
Salverius unentwegt und fortwährend in zahlreichen Bildreihungen
hineinmalt und das einen sehr weiblichen Gegenentwurf zur heutigen
Stadtarchitektur bietet. Denn die Wirklichkeit ist eine andere. Grau und
unwirtlich, in Waben reihen sich die angeblichen Individuen ein, die sich
nur durch die Auswahl ihrer Gardinenspitze voneinander unterscheiden und
untereinander möglichst inkognito bleiben wollen. So inkognito, daß ein
Toter auch schon einmal einige Wochen unentdeckt vor sich hin modern darf.
Stadtplaner begreifen immer mehr, daß es sich in den unwirtlichen Beton-
und Plattenbauten nicht mehr gut leben läßt und betreiben teilweise
schon einen Rückbau. Oder aber sie pflanzen Bäume, lassen die
gräulichen Fassaden bunt streichen, geben dem Konglomerat von unverbunden
nebeneinander existierenden menschlichen Behausungen wieder einen
Mittelpunkt, eine Kirche z.B. und legen Parks und Seen an.
Keiner dieser Stadtplaner müßte noch an einem großen Entwurf basteln,
er müßte nur einfach den Bauplänen, sprich der Malerei, von Gisela
Salverius folgen: Kostenlos gibt sie ihre wunderbaren Ideen preis, spart
nicht an Farbe, Buntheit, Bewegtheit, Abwechslung, Harmonie und
Korrespondenz der Bauten untereinander. Eine schönere Welt würde
entstehen, in die vielleicht auch weniger Vandalismus einbräche, weil
sich ihre Bewohner für ihre Umwelt verantwortlich fühlten... Aber halt!
Hier geht es nicht nur um Schönheit. Eine Planung muß es schon geben,
sonst entsteht ein "Städte-Vegetations-Chaos", in dem alles
beliebig wird, die Stadt die Menschen und die Natur auffrißt, ein
Großstadtdschungel entsteht, in dem keine Existenz mehr möglich ist.
Andererseits kann auch die Natur die Stadt auffressen, wenn sie
ungebändigt bleibt durch den Menschen.
Und selbst die harmlosen einfachen Topfpflanzen können ausufern und die
Bewohner in ein nie erwartetes "Schnittblumen-Chaos" stürzen,
in ein bunt-böses Labyrinth mit einem vermeintlich so wohl
strukturierten, haltgebenden Fliesenboden: trotzdem gibt es aus dem Chaos
kein Entkommen. Immer nur fröhliches Chaos kann auch zuviel werden!
Gisela Salverius als Absolventin der HBK Braunschweig hat
selbstverständlich verinnerlicht: Alles braucht eine Form, aber nur so
weit, wie sie die Kreativität nicht einengt bzw. das totale Chaos
ausklammert. Erst aus dem geordneten Chaos heraus entsteht wahre
Kreativität. Und so grüßen die roten Häusermützchen des
"Frühlings-Dorfes" den Betrachter so
bunt-lustig-schwingend-schunkelnd-tanzend, daß es eine Lust ist und er
plötzlich ganz sicher weiß, daß er die einfallslosen Architekten nicht
mehr durch seine Anwesenheit unterstützen, sondern sich lieber ein solch
fröhliches Salverius-Bild vor Augen führen wird!
Dr. Ulrika Evers
Kreismuseum Peine, November 2000 |